Keiner mag es gerne, in einer Warteschlange anzustehen. Die Zeit kommt einem endlos vor und man malt sich aus, wie viel sinnvoller man diese Zeit nutzen könnte. Um dieser Situation zu entkommen, kann man einen professionellen Ansteher engagieren.
Sie werden dafür bezahlt, für andere Menschen, die keine Lust oder Zeit dazu haben, deren Platz in einer Warteschlange zu übernehmen. Dieser Job wirkt erstmal ungewohnt, ist in den USA aber tatsächlich sehr lukrativ. Teilweise kann man so innerhalb einer Woche ca. tausend Euro verdienen, wenn man bereit ist, mehrere Stunden täglich in einer Warteschlange zu verbringen. Einer der ersten professionellen Ansteher war Robert Samuel, der aufgrund einer finanziellen Notlage eine Anzeige schaltete und seine Dienste gegen Bezahlung anbot, was den Anfang dieses Berufs darstellte.
Als sogenannte „Linestander“ stellen sich beispielsweise Studenten im Kongress für Sitzungen an und warten dort teilweise bis zu neun Stunden. So halten sie die Plätze für Lobbyisten frei, die dann die öffentlichen Sitzungen des Kongresses miterleben können. Natürlich können auch andere Menschen „Linestander“ engagieren, beispielsweise wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt und man nicht die Geduld hat, für einen langen Zeitraum vor dem Geschäft anzustehen. Auch bei Touristen, die während ihres Urlaubs Sehenswürdigkeiten wie den Petersdom im Vatikan besichtigen wollen, sind professionelle Ansteher überaus beliebt. Das Schlangestehen wird nach einer gewissen Zeit allerdings körperlich sehr anstrengend und führt zu Rücken- sowie Beinschmerzen.
Durchschnittlich erhalten professionelle Ansteher für ihre Arbeit einen Stundenlohn von zehn bis fünfzehn Euro. Ein Beruf mit festem Einkommen ist das Schlangestehen in den meisten Fällen allerdings nicht, da die Aufträge spontan erfolgen. Diese werden meist an Agenturen gegeben, die die Ansteher über eine App vermitteln. Bei manchen Agenturen gibt es Sondergebühren für besondere Bedingungen wie schlechtes Wetter oder eine höhere Anzahl von Plätzen, die freigehalten werden soll. Trotz der langen Wartezeiten, den teilweise unangenehmen Bedingungen und der körperlichen Belastungen mögen viele Ansteher den Beruf, weil sie die Zeit nutzen können um Musik zu hören, zu lesen oder zu lernen.
Der Grundgedanke, eigene Wartezeiten zu verkürzen und andere Menschen fürs Schlangestehen zu bezahlen, erscheint trotzdem etwas befremdlich, insbesondere da diese Leute einen Beruf ausüben, bei dem sie mehr oder weniger durch „nichts tun“ Geld verdienen. Dementsprechend wäre es vielleicht eine bessere Lösung, die Verteilung von Tickets und ähnlichem anders zu organisieren, sodass die Menschen allgemein nicht so viel Zeit in Warteschlangen verbringen müssten.